Leseprobe Rosensthern 

Kapitel 1 Auf der Zielgeraden

 

Dietmar C. Wüstel lehnte sich entspannt zurück und ließ seinen Blick durch die großen französischen Fenster schweifen, hinaus in den weitläufigen Garten.
Es war dieses Jahr sogar im März noch kalt, und es hatte so viel geschneit wie seit Jahren nicht mehr.
Die Rasenfläche hinter der Steinterrasse war vollständig von einer geschlossenen Schneedecke überzogen, die jetzt morgens an diesem herrlich blauen und klirrend kalten Tag wie ein Meer voller Brillanten in allen Farben des Regenbogens  in der Sonne glitzerte.
Die Bäume und Sträucher, die in der  Ferne die weite Rasenfläche begrenzten und den Beginn eines kleinen Waldes aus Buchen, Birken und Tannen bildeten, trugen schwer an der Last des Schnees.
Die großen alten Rhododendron Sträucher hatten ihre Blätter nach unten hin zusammengezogen, so dass der Schnee daran besser hinab gleiten konnte, und nicht auf den dunkelgrünen, ledrigen Blättern liegenblieb; nur ihre holzigen Äste mussten die Schneelast tragen.
Wüstel goss sich aus der kleinen Kanne noch eine weitere Tasse Kaffee ein, schwarz und duftend stieg das kräftige Aroma des äthiopischen Kaffees in seine Nase.
In dem Kamin rechts neben ihm knisterte das alte Kastanienholz.

Wüstel schloss die Augen und lehnte sich zurück, in seiner cremefarbenen, weichen Couch.

 

Er hatte es geschafft. Endlich.

 

Die Verträge waren zwar noch nicht unterzeichnet, aber es konnte nichts mehr schiefgehen. Alles war perfekt vorbereitet, die vorhandenen Widerstände waren, wie so oft  nicht ernst zu nehmen und nun leicht unter Kontrolle zu halten.
Ein Spiel, das er im Laufe der Jahre perfektioniert hatte.
Jeder der beteiligten Akteure hatte ein eigenes Interesse daran, das alles wie geplant ablief.
Er musste selbst gar nichts mehr dazu tun, außer das Geschehen dennoch aufmerksam zu beobachten.
Andere arbeiteten für ihn, für seinen Erfolg, und natürlich auch für den  ihren.
Wenngleich auch die Anteile unterschiedlich groß dabei ausfielen.
Wüstel lächelte zufrieden, und nahm einen Schluck des achtzig Jahre alten, bernsteinfarbenen Aguardente. Er hatte ihn vor einigen Jahren selbst aus Portugal mitgebracht.
Normalerweise trank er morgens keinen Alkohol, schon gar nichts Hochprozentiges, aber heute war ein besonderer Tag.
Weich und samtig rann der Aguardente seine Kehle hinunter und breitete sich mit einem wohligen, warmen Gefühl in seinem Körper aus.

Er hielt die Fäden in der Hand.

Wie leicht Menschen zu lenken sind, wenn man ein paar Grundregeln begriffen hatte, das hatte er schon als Kind gelernt.
Denn er war intelligent und hatte gut aufgepasst.
Und er wollte mit aller Kraft heraus aus dieser häuslichen Enge, die ihm fast die Luft zum Atmen nahm und ihn anwiderte.

So kann paradoxerweise auch Enges und Kleines zur beflügelnden Muse werden.

Und Dietmar C.s Gedanken wanderten zurück, so weit, bis sie auf einen kleinen, sechs Jahre alten Jungen trafen.

Dietmar war dieses Jahr in die Schule gekommen.
In die gleiche Volksschule, in die auch seine Schwester Maria ging, die zwei Jahre älter war als er.

Irgendwann einmal hatte er seiner Mutter, die den Haushalt führte, das erste Mal heimlich ihre Zigaretten holen müssen.
Der Vater durfte das auf keinen Fall wissen, denn das Geld das er in seiner Anstellung als Elektriker bei dem Bundesheer in der nahegelegenen Stadt W verdiente, reichte nicht für große Sprünge.
Trotzdem er auch am Wochenende häufig noch mit Schwarzarbeit etwas dazu verdiente, indem er bei Privatleuten Kabel zog, Wände schlitzte und Unterputzdosen verlegte. Das Geld war  immer irgendwie viel zu  knapp.
Da sein Vater auch noch aktives Mitglied in der freiwilligen Feuerwehr war, war er selten zu Hause.
Die Mutter hatte Dietmar strengstens verboten, dem Vater etwas von den Zigaretten zu erzählen.

So musste er ihre Zigaretten immer heimlich holen.
Er bekam die Münzen für den Zigarettenautomaten nur dann, wenn der Vater bei der Arbeit war.

Seine Mutter Gerlinde rauchte immer heimlich in dem kleinen Bad.
„Warum darf der Vater das nicht wissen?“ hatte er sie am Anfang gefragt, als sie ihm wieder einmal die Silbermünzen in die Hand gedrückt hatte.
„Das verstehst du noch nicht. Dein Vater ist ein Geizhals und gönnt einem keine Freude. Los, geh jetzt.“ herrschte sie ihn an.
„ Und warum muss Maria nie gehen?“ fragte er mit einem trotzigen Blick auf seine zwei Jahre ältere Schwester, die gerade durch die Tür in die kleine Wohnküche hereinkam, und dabei mit ihren braunen Haarzöpfen spielte.
„ Himmel, der quatscht einem noch ein Kind in den Bauch. Los, mach schon, geh jetzt endlich und beeil Dich,“ fuhr sie ihn erneut an.
Seine Schwester Maria grinste, und sah ihn dabei verächtlich mit herab gezogenen Mundwinkeln an.
Dietmar ging in den kleinen Flur, zog die Haustür hinter sich zu und lief auf dem löchrigen Bürgersteig der die kleine Straße säumte, nach oben, während er dieses bittere Gefühl, dass ihm wie ein Kloß in der Kehle saß, hinunterschluckte.
Immer musste sein Mutter ihn auch noch vor seiner dummen Schwester demütigen, und dabei warfen sich die beiden diese Blicke zu, die ihn ausschlossen und abwerteten.
Aber jetzt musste er sich auf den Zigarettenautomaten konzentrieren.
An der Ecke bog er links ab, und lief schnell zur Metzgerei Seuffert, in der sie ihr Fleisch für den Sonntagsbraten und ihre Wurst kauften, wenn das Geld dafür ausreichte.
Rechts neben der Ladentür war an der Hauswand der beigefarbene Zigarettenautomat angebracht, der die von der Mutter so heißgeliebten, stinkenden Zigaretten ausspuckte, wenn man ihn vorher mit Hartgeld gefüttert hatte.
Oder auch nicht.
Dieser klobige Apparat mit den in Reihen darin aufgeschichteten Zigarettenschachteln, die ihn wie Zahnreihen in einem riesigen Gebiss angrinsten, war so unberechenbar wie seine Mutter.
Dietmar hatte immer Angst, weil es ihm schon ein paarmal passiert war, dass er die Silbermünzen, die ihm die Mutter in die Hand gedrückt hatte, in den gefräßigen Schlund warf, aber der Apparat seinen Inhalt trotzdem nicht ausspuckte.

Weil der Knopf klemmte, auf den man drücken musste, oder aus unerfindlichen Gründen die Schublade, in der Mutters Schachtel Zigaretten liegen sollte, nicht vollständig herauszuziehen war. Das war doppelt bösartig, denn er sah die Hälfte der Schachtel in der klemmenden Metallschublade schon vor sich. Aber es war unmöglich, sie  herauszuziehen, auch nicht, wenn man mit Gewalt am vorderen Ende der Schachtel zog.
Dagegen  zu hauen war ebenfalls sinnlos, und hatte ihm lediglich einmal das keifende Gezänk der Metzgersfrau eingetragen, die den Lärm gehört, die Ladentür aufgerissen, und den kleinen Dietmar auf den Zigarettenautomaten hatte eintrommeln sehen.
„ Du Lausbengel, Du nichtsnutziger, schau dass Du weiterkommst. Wart nur, das sage ich Deiner Mutter. Und wenn Du was kaputtgemacht hast, müsst ihr den Schaden bezahlen.“ Dietmar gab Fersengeld und lief vor der keifenden Frau, die  die Ladentreppe herunter und mit erhobener rechter Hand trotz ihrer Leibesfülle erschreckend schnell auf ihn zukam, rasch davon. Ohne Geld und ohne Zigaretten.
So war Dietmar bei dem Thema Zigaretten immer in doppelt heimlicher Mission unterwegs: Weder sein Vater, noch die Metzgersfrau durften ihn am Zigarettenautomaten sehen.  
Und wenn das Geld weg war und der Apparat die Gegenleistung verweigerte, was bei feuchtem Wetter häufiger vorkam, so war es definitiv verloren.
Man konnte keine große Sache  daraus machen, das besorgte anschließend, wenn er nach Hause kam, schon seine Mutter.
Wenn er ohne Geld und ohne Zigaretten nach Hause kam, veranstaltete sie jedes Mal eine Riesenschreierei. Sie wusste von seinem Missgeschick schon immer gleich, wenn er zur Haustür hereinkam und mit leeren Händen und eingezogenem Kopf  zu ihr hochsah, ohne dass er auch nur ein Wort gesagt hatte.

Erst später würde er lernen, dass der Gesichtsausdruck eines Menschen viel mehr sagen kann, als Worte.
Und das man diesem kleinen Jungen, mit dem zwischen die Schultern gezogenen Kopf, der mit aufgerissenen Augen nach oben zu seiner Mutter starrte, stumm, wie ein kleines  geprügeltes Tier, ansehen konnte, welche Hiobsbotschaft er brachte.

Augenblicklich verzerrten sich ihre  Gesichtszüge vor Wut und mit den Worten die sie ihm zusammen mit einem feuchten Tröpfchensprühregen  aus ihrem hässlich verzerrten Mund entgegen spuckte, wurde er jedes Mal ein Stückchen kleiner und löste sich in ein Nichts  auf.
Er kniff die Augen ganz fest zusammen, damit er wenigstens nicht den Anblick der  zu Schlitzen verengten Augen und des aufgerissenen Mundes über sich ertragen musste, sondern nur ihre Beschimpfungen hörte.
„ Du bist zu dumm und zu blöd, um eine Schachtel Zigaretten zu holen. Was kannst Du überhaupt? Du bist ein Trottel wie Dein Vater!“
Manchmal setzte es auch zusätzlich noch eine knallende Ohrfeige auf seinen Kopf, je nach dem Grad des Nikotinentzuges bei seiner Mutter, so dass er schon instinktiv Arme und Hände hochriss, wenn sie  wie eine Medusa auf ihn niederkeifte.
Sie war so wütend, weil es wieder eine Weile dauern würde, bis sie das Geld für die Zigaretten und ihre anderen, persönlichen kleinen Ausgaben heimlich vom Haushaltsgeld abgezweigt hatte.
Das würde wieder umständliche Erklärungen bedeuten, die sie ihrem Mann gegenüber abgegeben musste um zu begründen, warum sie diesmal wieder mehr Geld für den Haushalt benötigte.
Und nachdem der Vater das Haushaltsbuch durchgesehen hatte, in dem sie vorsichtig stets ihre ganz private kleine Preissteigerungsrate einbaute und er immer noch unwillig war, dieser Umstandskrämer, riss ihr der Geduldsfaden „ Geh Du doch einkaufen, alles wird teurer, aber vielleicht bekommst Du ja alles geschenkt, wenn Du ankommst.
Du willst doch früh Deinen Kaffee trinken und abends Dein Bier, oder etwa nicht?
Und am Sonntag willst Du einen Braten auf dem Tisch.
Ich brauche keinen, aber Du. Ansprüche stellen, und  keine Ahnung haben was alles kostet. Alles wird teurer. Das Haushaltsgeld ist sowieso knapp, mehr als knapp. Die Kinder brauchen auch dauernd etwas. Wenn Deine hochnäsige Schwägerin, die einen Mann hat, der genug verdient, uns nicht ihre abgelegten Kinderkleidung geben würde- wüsste ich gar nicht wie wir über die Runden kommen sollen. Und ich muss mir vor der hochnäsigen Kuh jedes Mal wie eine Bettlerin vorkommen, wenn sie ihre milden Gaben verteilt, nicht Du.
Und überhaupt, wenn ich mir die anderen anschaue,…..“
Und dann begann diese nicht enden wollende Tirade aus Vorwürfen an ihren Mann, seinen Vater, weil er nicht in der Lage war, die Familie richtig zu versorgen, ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder, dem Polizeihauptwachmeister bei der Polizei, ihrer Schwester mit ihrem tüchtigen Mann und allen Anverwandten und Bekannten.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt richtete sich der kleine Dietmar, der diese Szenen zwischen Vater  und Mutter in der Wohnküche anfangs noch durch das Schlüsselloch verfolgt hatte,  auf, und lief schell nach draußen, denn gleich würde der Vater aus der Wohnküche herausstürzen und das Weite suchen, bei irgend einer Arbeit oder der freiwilligen Feuerwehr.
Man wusste nie, ob der Vater, der zunächst zu Beginn solcher Szenen stumm am Küchentisch dieser Furie gegenübersaß, wortlos aufstand und die Wohnküche und das Haus verließ.
Oder ob er seinem aufkeimenden Ärger über diese ewig fordernde Frau, die ständig etwas brauchte und immer zu wenig hatte, ein paarmal laut mit den Worten  „ Halt deinen Mund“ Luft machte.
Was sie jedoch nur noch mehr anspornte und ihre Ballade aus Vorwürfen, Demütigungen und  für den Vater unvorteilhaften Vergleichen mit anderen Personen lautstark fortsetzen ließ.
So dass er schließlich seine Stimme zu einem schneidend lauten:  „Halt endlich Dein Maul Du dämliche Kuh“ erhob, dabei so abrupt aufsprang, dass sein Stuhl umfiel, und mit der Lehne auf den Holzdielenboden krachte und mit ein paar Schritten wie ein Tiger auf sie zusprang, um ganz dicht vor ihr stehenzubleiben.
Irgend wann einmal erhob er seine rechte Hand und holte aus, um sie zu schlagen, und seine Mutter war augenblicklich still, so dass er die Hand wieder sinken ließ.
Anfangs.
Nachdem  diese Szenen sich jedoch immer wieder wiederholten, aus diesem oder einem anderen, oft vollkommen nichtigem Anlass, war sie irgendwann einmal nicht mehr still geworden als er vor ihr stand, sondern hatte ihm ihre Beleidigungen wie ein Vulkan weiter entgegen gespuckt:
„ Du Schlappschwanz, Du blöder Versager, hätt‘ ich doch damals Deinen Bruder genommen, das ist wenigstens ein richtiger und  tüchtiger Mann, der Frau und Kinder ordentlich ernährt und den die Leute achten.“
Da  hatte sein Vater das erste Mal die erhobene Hand nicht wieder sinken lassen,  sondern diesmal hatte er zugeschlagen.
Auf ihren Kopf. Er hatte ihr eine schallende Ohrfeige versetzt.
Und er war fast gleichzeitig zurückgewichen, wie vor Entsetzten über sich selbst.
Seine Mutter, ließ die erhobenen Arme langsam sinken, einen Moment herrschte Stille.
Beide standen sich gegenüber, wie zwei Duellanten.
Und für eine kurze Zeit war der Hass aus beider Gesicht gewichen, nur für einen kurzen Moment, und hatte Entsetzen und ungläubigem Staunen Platz gemacht.
Dann wandte sich sein Vater abrupt ab und schritt schnell in Richtung der Küchentür, während seine Mutter, mit einem schrecklich verzerrten Mund und zu Schlitzen verkleinerten Augen hinter ihm her kreischte: „ Hau ab du Drecksau, Du Versager“, sie heulte dabei  fast wie ein Tier hinter ihm her.
Dietmar erinnerte sich an diesen Streit zwischen den Eltern auch deshalb so genau, weil seine Schwester dabei hinter ihm stand in dem kleinen Flur, und sie abwechselnd durch das Schlüsselloch in die Küche sahen.
Dieser seltsame und seltene Moment der Vertrautheit und Nähe zwischen den Geschwistern brannte dem Jungen diese Szenen genauso ein, wie das was er gerade  von seinen Eltern erlebt hatte.
Dietmar und seine Schwester Maria stoben gerade noch rechtzeitig gemeinsam nach links, in das kleine Bad hinein und versteckten sich mit klopfenden Herzen hinter der Tür unter den daran  herabhängenden Handtüchern.
Die Haustür krachte und sie hörten nun nur noch die Schimpftiraden und das Geheule ihrer Mutter.

Sie heulte, sie plärrte, und die beiden Kinder waren wie erstarrt und rührten sich nicht.

Diese Szenen häuften sich, wenngleich Dietmar den Vater nie wieder seine Mutter hatte schlagen sehen.
So gewöhnten die Kinder sich daran, wurden gleichgültig und suchten wenn möglich das Weite. Da der Vater auch immer seltener zu Hause war, und dann immer etwas reparierte, baute oder herrichtete,  musste man einfach immer nur den Kopf einziehen und zusehen dass man nicht zwischen die Fronten geriet, und die wortkargen Mahlzeiten und gemeinsamen Kirchgänge einfach ertragen.
Irgendwann einmal würde all das aufhören, das wusste er, und dann kam er heraus, und würde viel Geld verdienen,  so wie der Chef seines Vaters in der Kaserne, oder der Vater seines Freundes Martin, der als praktischer Arzt in der Kleinstadt eine gutgehende Praxis betrieb und ein großes und modernes Architektenhaus mit viel Glas für seine Familie gebaut hatte.
Oder wie die Direktoren und noch besser die Inhaber der umliegenden Textil,- und Porzellanfabriken, deren hochnäsige Kinder mit ihm in die Volksschule gingen.
Und die Leute würden ihn dann achten und freundlich tun, so wie seine Mutter, die jedem, der in ihren Augen etwas Besseres war, in dessen Beisein nach dem Mund redete. War die betreffende Person jedoch nicht anwesend, so spuckte sie hinter deren Rücken Gift und Galle.
„Heute habe ich beim Metzger die Frau vom Doktor getroffen, die glaubt auch, sie ist was Besseres, die blöde Kuh. Kann nix, und hat sich nur in das gemachte Nest gesetzt. Und die dämliche Seuffert, dieser Metzgerstrampel buckelt vor der noch hin und her: was darf es denn sein, Frau Doktor? Frau Doktor, das ich nicht lache, die hat genauso nur die Volksschule besucht wie ich, und hätte die nicht ihre Mitgift von dem großen Bauernhof, aus dem sie raus stammt, mitgebracht, hätte der Doktor das blöde Weib niemals genommen. Und außerdem hat sie noch eine Nase wie eine Kartoffel  und sieht aus wie ein blökendes Schaf“.
Wie Dietmar diese gewöhnlichen Sprüche seiner Mutter hasste; jedes Mal drehte sich ihm der Magen dabei um, vor allem weil sie zu dumm war zu erkennen, dass sie mit jedem ihrer Worte nur ihren eigenen Neid entlarvte und sich selbst klein machte.

So nahe wie damals gemeinsam am Schlüsselloch waren Dietmar und seine Schwester  Maria sich nie mehr gekommen.

Dietmar dachte zurück an das kleine Bad, das der Vater auf Drängen der Mutter gebaut hatte, damit sie nicht mehr die an ihr Häuschen angebaute kleine Bretterkammer aus Holz, in dem sich ein Plumpsklo befand, benutzen musste.
Ein Bad hatte damals noch nicht jeder in seinem Haus, und seine Mutter hatte es stolz der Verwandtschaft, Nachbarn und Bekannten präsentiert.
Es hatte sogar eine Badewanne und weiße Fliesen.
Hinter der Badewanne befand sich das komfortable Spülklosett und daneben ein kleines Fenster mit Milchglas, damit man von der Straße aus nicht hereinsehen konnte.
Oft hatte er durch das Schlüsselloch seine Mutter so  auf dem Klodeckel hockend,  und ihre Zigaretten in sich hinein saugen sehen.

Manchmal lehnte sie sich dabei schräg an die daneben liegende Wand, schloss die Augen und inhalierte tief. Und wenn sie den Rauch mit einem tiefen und langen Atemzug hörbar wieder aus ihrer Lunge entließ, klang es wie ein Seufzen.

Das Fenster im Bad war dabei meistens gekippt.
Oft machte er, wenn sie das Bad wieder verlassen hatte, das kleine Fenster noch einmal auf; aus Angst, der Vater würde diesen kalten, süßlichen Zigarettenrauch bemerken.

 

Dann würde es wieder Streit geben, über überflüssige Ausgaben und das richtige Haushalten, und wer schuld daran war, dass das Geld ewig zu knapp war.

Und das, obwohl Dietmars Mutter Gerlinde rechtzeitig dafür gesorgt hatte, dass ihre  Mutter Maria sie allein als Erbin für das kleine Elternhäuschen eingesetzt hatte.
Ihre beiden anderen  Geschwister hatte sie nur mit einem kleinen Geldbetrag kurz vor der Währungsreform nach dem zweiten Weltkrieg abfinden müssen.
Kurze Zeit später, nach der Währungsreform war das alte Geld wertlos geworden, während sie sicher in ihrem Häuschen saß.

So mussten Sie wenigstens keine Miete bezahlen, da das kleine Haus ihnen gehörte.
Dennoch schien das Geld nie zu reichen.

Da Dietmars Mutter Gerlinde damals Hausfrau war, lebte die Familie nur vom Gehalt des Vaters.
Zumindest nach außen hin schien es positiv zu sein, dass seine Mutter nicht selbst arbeiten musste.
Denn Dietmar hatte schon oft erlebt wie seine Mutter anderen Frauen gegenüber, deren Männer als Arbeiter oder Hilfsarbeiter ihr Geld in den nahe gelegenen Fabriken verdienten, mit erhobenem Haupt und leicht nach unten gekräuselten Lippen erwidert hatte.
„ Mein Gatte ist ja Beamter beim Bundesheer,“ und dabei steckte sie ihre Kuchengabel selbstzufrieden in die Schlagsahne auf ihrer Apfeltorte.
Immerhin.
Arbeitslos werden konnte er jedenfalls nicht. „ Wenigstens das hat er geschafft.“
Das stimmte zwar nicht ganz, denn Dietmars Vater war im zivilen Bereich bei dem Bundesheer angestellt und keineswegs Beamter, aber die Arbeit bei dem Bundesheer war trotzdem krisensicher.


Kapitel 2  Auf dem Weg zur Goldküste


Wüstel öffnete die geschlossenen Augen und war nun wieder in seiner Welt.
Er horchte, im Haus war noch alles still.
Stefanie schlief anscheinend noch oben im Schlafzimmer.
Kein Wunder, es war eine turbulente Nacht gewesen, Wüstel lächelte ein wenig selbstgefällig. Er war gut in Form und fühlte sich so fit, als wäre er noch dreißig Jahre, statt beinahe doppelt so alt. Nur im Unterschied zu damals hatte er heute jedenfalls Geld. Nun gut, man konnte nicht alles haben.
Jetzt wollte er noch einen starken, schwarzen Espresso trinken.
Und da heute Samstag war und seine Haushälterin Frau Graf frei hatte, musste er den Espresso selbst aus der Küche holen.
Er erhob sich - es war immer noch alles still im Haus.
So sehr Wüstel die Nähe von Frauen, schöner Frauen,  genoss, so sehr genoss er auch diese Momente des Alleinseins, in denen er zurückschauen und die Enge der Kindheit mit seinem heutigen Leben vergleichen konnte.
Und noch wohliger und goldener als herrlicher alter Aguardente, der sanft und kraftvoll die Kehle hinab rann, erwuchsen aus diesem Vergleich Stolz auf das Erreichte und der Triumph, alles kaufen zu können, wovon er früher nur träumen konnte.
Er war ein Sonnengott, in seiner Welt. Die fast achtzehn Jahre seiner Alleinherrschaft in der Rosensthern AG gingen nun mit dem Verkauf der  zum zweiten Male insolventen Firma zwar dem Ende entgegen aber er verspürte nur den Anhauch eines Bedauerns, wenn überhaupt.
Er war knapp siebenundfünfzig Jahre alt, hatte ein kleines Vermögen auf die Seite gebracht und im Prinzip stand ihm alles offen.
Und  momentan war er ja auch noch in beratender Funktion für den Insolvenzverwalter tätig, das hatte er so verhandelt, als sie letztes Jahr die Verkaufsstrategie festgelegt hatten; und das brachte ihm auch noch ein kleines Vermögen ein.
So war der zunehmende Ärger der vergangenen Monate immer auch von dem tiefen und sicheren Gefühl begleitet gewesen, dass er sein Ziel erreichen werde, so sicher, wie es bisher immer bergauf gegangen war.

Die leider auch vorkommenden Schmierereien in der Presse mit Schlagzeilen wie:
„ Wüstel, der es nirgends länger als drei Jahre aushielt“, und
 „ Wüstel oder wie man Firmen in Grund und Boden wirtschaftet“, nahm er daher nicht allzu wichtig, denn er konnte ihre Auswirkungen sehr wohl einschätzen.
Sie waren de facto gleich Null. Kein virtueller Revisor würde sich aufgrund solcher Artikel erheben, und überprüfen, was er tat. Und selbst wenn, er hatte nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, alle Aktivitäten waren von hochkarätigen Beratern vorgeschlagen, empfohlen und abgesegnet worden, jeweils „state oft the art“. Nur ein Nörgeln und Meckern der Volksseele war die Reaktion auf die sich wiederholenden Umsatzeinbrüche, Kostensteigerungen und stetigen Entlassungen. Das Geblöke dieser Schafe würde am darauffolgenden Tag genauso wirkungslos und sinnlos in einer anderen Schlagzeile verpuffen, denn sie zogen keinerlei Konsequenzen. Sie begnügten sich mit ihrem sinnlosen Gejammer, immer bereit, sich von anderen führen zu lassen. Weil sie den Preis nicht zahlen wollten und zu feige waren, selbst zu handeln und ihr eigenes Leben zu entscheiden.
All das war fantastisch; man musste es nur ein Mal schaffen, ein einziges Mal, sich an der richtigen Stelle zu positionieren.

Gleichwohl beobachtete er natürlich das Geschehen, auch in medialer Hinsicht mit Wachsamkeit, falls doch einmal eine öffentliche Reaktion in die eine oder die andere Richtung erforderlich sein sollte.

Auf der gleichen Ebene der von ihm beobachteten Bedeutungslosigkeit seiner Kritiker und deren Kommentierungen rangierte auch das Gewerkschaftsgeschwätz, das er natürlich immer anhörte und sehr wortreich verbal als wertvollen Beitrag zur Unternehmensführung und strategischen Ausrichtung  der Rosensthern AG scheinbar mit berücksichtigte, sowie die Tuscheleien der Mitarbeiter über ihn und seine Unternehmensführung hinter seinem Rücken.
Die im Übrigen sofort verstummten, wenn er sich zeigte und durch die Hallen und Büros schritt, allein, oder in Begleitung seiner  Berater.
In den Gesichtern der Mitarbeiter gingen die Vorbehalte und Tuschelein bei seinem Anblick übergangslos in ein beflissen breites, freundliches Lächeln über, das allerdings nie bis zu den Augen reichte.

Er betrachtete die öffentliche Meinung in ihrer Mediendarstellung durch ihre Protagonisten als käufliche Hure.
Er wusste sie zu lenken und er wusste womit er sie bezahlen musste: mit seiner dynamischen, fantastischen Selbstdarstellung, er musste als Projektionsfläche  nur das Klischee des aktiven, erfolgreichen Unternehmers bedienen und die Eitelkeit des jeweiligen Gegenübers.
Der Macher der neuen, globalen Zeit.
So einfach.
Was er wirklich tat, welche Ergebnisse er erzielte, interessierte keinen. Er hatte schnell begriffen, dass es darauf auch gar nicht ankam.
Wichtig war nur, wie und dass er ein Ergebnis bei den entscheidenden Leuten positiv verkaufte.
Ob das Ergebnis für sein Umfeld gut oder schlecht war, spielte daher keine Rolle.

So war er damals, kurz nachdem er, knapp vierzig Jahre alt, Vorstandsvorsitzender der Rosensthern AG  geworden war, als Schrittmacher einer dynamischen und unverbrauchten Elite von neuen,   jungen Unternehmensführern im Land der Wende von Presse und Analysten zu  Beginn seiner Tätigkeit bei Rosensthern gefeiert worden.
Wende auch bei der Rosensthern AG.
Euphorische Artikel dieser Art, erschienen in führenden Wirtschaftsmagazinen und Zeitungen, hatten ihn nur ein paar Gespräche mit den für ihn relevantesten Wirtschaftsjournalisten der größten Journale gekostet.
Da er deren Interesse geschickt lanciert hatte, quasi als Initialzündung im Hintergrund, rannten sie ihm sowieso mit ihren Anfragen für Gespräche und Interviews die Bude ein, und er konnte seine Gesprächspartner nach strategischen Gesichtspunkten auswählen.


Bis auf wenige Ausnahmen hatten sie keinerlei Ahnung von Wirtschaft und Unternehmensführung, noch weniger als Wüstel, der aber aus seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre immerhin die einschlägige Fachterminologie mitgenommen hatte.
Damit  jonglierte er wie ein Zauberer so lange, bis er im Gesicht des jeweiligen Gegenübers den erwarteten  „ Klick “ entdeckte: diesen Punkt der Stille im Gesicht des anderen, der Staunen und  Bewunderung ausdrückte, und er nur noch dieses große Abbild seiner Selbst in den Pupillen des jeweiligen Interviewers, der ihm gegenüber saß, sah.
Wüstel lauerte jedes Mal auf diesen entscheidenden Klick, so wie eine Katze auf die Maus, und dieses Lauern erregte ihn, darin spürte er sein eigenes Leben pulsieren, gespeist durch dieses herrliche Gefühl der Macht, die Situation zu beherrschen. 

Fast noch interessanteraber war die gegenteilige Reaktion, da sie ihn herausforderte und dadurch fast noch mehr erregte:
Skepsis, Abstand und Ablehnung beim Gegenüber und zunächst kleine, bohrende Fragen, die zu Beginn seiner beruflichen Karriere das schöne Gebäude aus Worthülsen, mit denen er rasch zu jonglieren gelernt hatte, fast zum Einsturz gebracht hätte.
Rasch hatte er aber auch hier gelernt, erfolgreich im Nirwana des richtigen Wordings herumzuturnen. Es gab so unendlich viele Zauberworte wie:“  Aufbruch; Wende, neue Wege gehen; ernsthaft prüfen, komplexe Zusammenhänge; zielorientiertes Handeln, Restrukturierung,Verantwortung, Umstrukturierung, global Player,…. „, sein Repertoire derpassenden Worthülsen, mit denen er sein Gegenüber besoffen redete, war unerschöpflich.
Und zudem  gab es diese sich rasant vermehrenden Berater in Form von Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern, Rechtsanwälten, Unternehmensberatern, die man engagieren, auf die man Arbeit delegieren, und jedes gewünschte Ergebnis interpretieren lassen konnte.
Das alles war ein Spiel, man musste nur einmal die richtigen Spielregeln verstanden haben.
Dazu gehörte auch der Aufbau eines Netzwerkes in den wichtigen Bereichen, mit den richtigen Leuten.
Auch das hatte er schon lange begriffen und darin viel Zeit investiert.

All das ging ihm jetzt durch den Kopf und gleichzeitig  genoss er den Weg durch  den großen, hellen Wohnraum mit seinem Boden aus Carrara Marmor, der dem hohen Raum eine doppelte Tiefe gab, und in dem sich die wertvollen alten und neuen Möbel und Kunstgegenstände wie in klarem  Wasser spiegelten.
Er durchquerte nach dem Wohnraum die Halle, seine Silhouette folgte ihm in den Spiegelungen des zart grau weißen Steins, den er vor seinem Einzug in das Haus 1993 vollständig hatte abschleifen lassen.
Um dem stumpfen Marmor, einem für diese ländliche Gegend Bayerns ungewöhnlichen Boden, seinen alten Glanz zurückzugeben.
Die Eigentümer dieser alten, weitläufigen und im klassizistischen Stil erbauten Fabrikanten Villa hatten früher zu den vermögendsten Familien in der Gegend gehört.
Sie hatten mehrere große Spinnereien, Ziegelwerke und Textilfabriken besessen und ein Faible für italienische Kunst und Kultur gehabt.
Die damalige Gattin des Inhabers, Eleonore Rössler, hatte beim Bau des Hauses1890 auf einem Boden aus Carrara Marmor statt des hier üblichen Bodens aus Eichenparkett bestanden.
Und da er das Haus der letzten Nachfahrin der Familie Rössler, die mittlerweileauch für den noch  verbliebenen Firmentorso Insolvenz hatte anmelden müssen, und der das Wasser finanziell bis zum Halse stand, günstig abkaufen konnte, konnte er das ersparte Geld für sich,in der Renovierung des Anwesens anlegen.
Das Bild dieser mausgrauhaarigen, unattraktiven Frau, etwa  in seinem Alter, deren Gesicht zwei scharfe Falten von der Nase bis zum Mund zerschnitten, drängte sich vor sein inneres Auge.

Stocksteif und mit zusammengepressten Lippen hatte sie auf einem der Stühle inder Halle gesessen, als er das Haus damals zum ersten Mal betreten hatte um es zu besichtigen.
Sie waren sich sofort beide gleichermaßen unsympathisch gewesen, so fiel es ihmdoppelt leicht, sie im Preis herunterzuhandeln. Weit herunterzuhandeln. Wer konnte sich schon so ein Anwesen in dieser nicht gerade reichen Gegend leisten, und dann der schlechte Zustand, der im Übrigen so schlecht gar nicht war.
Was Wüstel auch infolge zweier Fachexpertisen mit einem offiziellen und einem inoffiziellen Teil über den Bauzustand, bezahlt aus einem passenden Aufwandskonto der Rosensthern AG, ebenso rasch erkannte.
Außerdem  war Wüstel durch einen seiner Freunde, der Direktor der Bank war, die auch eine der Hauptgläubiger deruntergehenden Firma Rössler war, bestens über den finanziellen Hintergrund derletzten Frau Rössler informiert.
Wüstel hatte schon lange gelernt, dass gegenseitige Gefälligkeiten eine stets fruchtbare Ernte garantierten.
So hatte er, als er Vorstandsvorsitzender der Rosensthern AG wurde, und begann, in der Stadt S. sein Netze auszuwerfen und sich zu etablieren, rasch die für ihn  richtigen und wichtigen regionalen Kontakteidentifiziert und etabliert.

Die bisherige Hausbank der Rosensthern AG war bislang eine große  bayerische Privatbank gewesen, die ein Jahrzehnt später anderen Wüstels zum Opfer fallen sollte.


Allerdings hatte der Direktor der bisher wichtigsten Hausbank der RosensthernAG, als Wüstel zwar noch nicht Vorstandsvorsitzender bei Rosensthern war, aber bereits dort als kaufmännischer Direktor arbeitete, einen entscheidenden Fehler begangen.
Er hatte Wüstel´s fachliche Kompetenz bei den falschen Leuten angezweifelt.
Bankdirektor Einsicht hatte bei Wüstel`s letzten Firmen recherchiert und dort fast aus allen Quellen wenig Schmeichelhaftes über und für Wüstel erfahren.
Einsicht war besorgt, es lag ihm an dem Fortbestand der Traditionsfirma Rosensthern,und er wollte am Ende seiner beruflichen Laufbahn einen Fehler wieder gut machen.
Der bisherige „Eigentümer“ – die Bezeichnung stimmte nicht ganz, da Rosensthern eine Aktiengesellschaft war, und die Familie ihre Hauptanteile mittlerweile  nicht mehr besaß -  Philip Rosensthern war mit zweiundsiebzig Jahren aus seiner eigenen Firma, der er erst Weltgeltung verschafft hatte, heraus gedrängt worden.
Das war eine Geschichte für sich und Einsicht war nicht stolz auf seine Mitwirkung daran.
So wollte er nun wenigstens verhindern, dass die Firma in die Hände eines Mannes geriet, den ihm nicht nur eine Quelle als fachlich inkompetenten und großspurigen Dampfplauderer, der für seine Karriere über Leichen ging,beschrieben hatte.
Und vielleicht auch, weil er seine Mitwirkung an dem früheren, unsauberen Spiel bereute.
Zu spät hatte er erkannt, dass der Lotse von Bord gegangen, und Wilhelm II, so nannte Direktor Einsicht Wüstel im Geiste, im Begriff war, das Schiff direkt in den Eisberg zu steuern, da er nach Einsichts Einschätzung genauso wenig Ahnung von Navigation hatte und ein genauso schwacher Charakter wie Wilhelm II war. Und so wie dieser mitsamt seinem ihm ebenbürtigen Gefolge dieses Land vor Jahrzehnten  in den ersten Weltkrieg geführt hatte, was seinem Vater den Vater gekostet hatte, würde Wüstel die Firma in den Konkurs steuern, weil er keinerlei Ahnung hatte, was es bedeutete, eine Firma erfolgreich zu führen.
Und dabei würde er sich persönlich noch sanieren, das war sein eigentlichesZiel.
Das sah Direktor Einsicht als sicher voraus.
Dieser Dietmar C. Wüstel - C. wie Cäsar - gehörte zu einer Garde neuer, junger Manager, die weder durch ihren Werdegang noch durch ihren Charakter oder ihre Erfahrung dazu geeignet waren, Firmen selbständig und erfolgreich durch eine sich ständig wandelnde und sich immer mehr öffnende, globalere Welt mit Anstand zu steuern.
Sie schienen wie giftige Pilze aus dem Boden zu schießen, überall, dies war ihre Zeit. Hatten sie sich erst einmal in einer Position in einer Firma oder einer Organisation etabliert, die ihnen de facto unbeschränkte Entscheidungs,- und Handlungsmachtverlieh, so ging es mit dem Unternehmen rasch bergab.
Und niemand zog sie zur Verantwortung.

Im Gegenteil, eine stetig wachsende Beraterriege lieferte gegen gutes Geld stets die erforderlichen Begründungen für jedes gewünschte Ergebnis.
Direktor Einsicht seufzte tief und dachte:
„Eine teuflische Symbiose mit den idealen Randbedingungen wie sich auflösender, oder vielmehr multipler Parallelwerte und dem immer schnelleren Tanz um das goldene Kalb, wie ein Tsunami wird all das dieses Land in den kommenden Jahren überrollen.
Wieder einmal. Nun gut."
Aber dieses Mal wollte er nicht zu denjenigen gehören, die von nichts gewusst hatten.
Er würde alles tun, um gegenzusteuern.
Und Einsicht handelte: